„In der Nähe unseres Hauses lebte Wiesiek Bożym, der mein Kollege und Kollege meines Bruders war. Wiesiek wohnte in der Zygmuntowska-Straße, die parallel zur Polna-Straße, wo ich wohnte, verlief. Die beiden Grundstücke wurden durch einem Zaun getrennt. Eines Tages ließ er mich näher kommen, da er mir etwas sagen wollte. Er fragte, ob ich mit ihm nach Skrudy fahren kann, die Kartoffeln kaufen, da sie dort billiger sind. Wir sollten diese Kartoffeln dann ins Ghetto bringen, da die Juden dort hungerten” ‒ so beginnt Urszula Kaliszewska ihre Erzählung von ihrem Ausflug in das Warschauer Ghetto.

Die 11-jährige Urszula und der 12-jährige Wiesiek begaben sich mit dem Zug nach Miłosna und dann gingen sie zu Fuß nach Skrudy. Der Rückweg mit dem Kartoffelsack auf dem Rücken war für das Mädchen eine große Herausforderung. Urszula musste sich von Zeit zu Zeit erholen. Die Kinder haben den Zug, mit dem sie zurückkehren sollten, verpasst. Sie fuhren mit dem nächsten Zug nach Rembertów und von dort begaben sie sich ins Ghetto. Sie gingen ins Ghetto von der Seite der Okuniewska-Straße durch den Zaun, dessen Latten früher zweckmäßig gelöst wurden. Dieser Durchgang war Wiesiek sehr gut bekannt, da er schon mehrmals die Kartoffeln ins Ghetto geschmuggelt hat.

Im Ghetto haben sich die Kinder getrennt. Urszula begab sich in das von ihrem Kollegen gezeigte Gebäude. Erst nach dem Betreten von Ghetto war sich das Mädchen der drohenden Gefahr bewusst: „Auf der arischen Seite fühlte ich mich sicher, aber ihm Ghetto, wo wir die Säcke mit Mühe hinüber tragen konnten und jeder von uns selbständig handeln musste, hatte ich Angst. Das Haus, zu dem sie Wiesiek geschickt hat, war aus Holz und befand sich in der Nähe der Synagoge. Die Eingangstür befand sich oben, vor der Tür befanden sich ein Absatz und die Treppen. Die Fensterläden an diesem Haus waren geschlossen. Urszula ging ins Haus hinein: „Es war dunkel im Inneren, jedoch ich habe bemerkt, dass am Tisch die Juden mit den Gebetsschalen saßen. Sie hatten Angst vor der unsicheren Zukunft und wussten was ihnen droht. Sie saßen schweigend, aber es war eben ihr Gebet. Ich wagte es nicht, etwas zu sagen. Nach einer Weile stand ein Mann, der am Tisch saß, auf und ließ mich die Kartoffeln auf den Fußboden schütten. Er betrat den Absatz, schaute sich um und sagte zu mir: »Es gibt keine Deutschen, lauf Mädchen, ich danke dir«. Ich nahm den Sack mit, sprang vom Absatz auf den Boden hinunter, ohne die Treppen zu nutzen, damit ich schneller an den Zaun gelangen konnte, ich fand die Latten, die gelöst waren, und ich gelangte hindurch”. Urszula lief entsetzt in den nahen Hof und setzte sich dort auf das Gras. Sie musste ihre Gedanken zusammennehmen und sich ein wenig beruhigen. Das Mädchen hatte Angst, dass sie von jemandem gesehen wurde, als sie das Ghetto durch den Zaun verlassen hat und dass sie für eine Jüdin gehalten wird. Sie konnte festgenommen werden – und im besten Fall – ins Ghetto zurückgebracht oder im schlimmsten Fall – erschossen werden. Sie selbst war die Zeugin solch einer Situation: „Sie hatte die Gestalt einer Jüdin vor den Augen, die von dem (deutschen) Gendarmen Rudy, der immer mit einem Schäferhund herumging, erschossen wurde, als sie das Ghetto verließ. Er hat sie erschossen, als sie sich in der Kadrowa-Straße in der Nähe des Hauses von Herrn Romanczuk befand. Nach dem Schuss ist sie auf den Boden gefallen. Aus dem Tuchbündel, das sie auf dem Rücken hatte, sind die Kartoffelschalen, die „schwarze Beute” heraus gefallen, die mit ihrem Leben bezahlt wurden.

Zum Glück ist es den beiden Kindern gelungen, am gleichen Tag sicher nach Hause zurück zu kehren. Sie haben die jüdischen Familien mit ca. 30 kg Kartoffeln versorgt. Urszula fasst diese ganze Aktion folgendermaßen zusammen: „Vielleicht hat jemand von dieser Familie überlebt oder seinen Enkeln erzählt, dass die polnischen Kinder nicht passiv waren. Ich habe es so in meinem Gedächtnis behalten und so war es auch”.

Literaturverzeichnis:

  1. FLV, Brief von Urszula Dymowska ( geborene Kaliszewska), Warszawa, 09.12.2013.