Ryszard und Maria Słoczyński lebten mit ihren vier Kindern in einer Dreizimmerwohnung im Viertel Mokotów. Ryszard war seit dem Kriegbeginn mit dem Polnischen Untergrundsstaat verbunden. Am 1. April 1942 hat er Wacław Ciszewski nach Hause gebracht. Der Mann wurde im Kindeszimmer untergebracht. Es wurde den Kindern Ryszard Wojciech (8 Jahre alt), Maria Barbara (6 Jahre alt), Juliusz Maciej (3 Jahre alt), Anna Zofia (1 Jahr alt) verboten, jemandem von ihm zu sagen. Der Mann hielt sich die ganze Zeit in der Wohnung auf, er verließ sie nicht und ging sogar nicht an das Fenster. Die Familie Sołczyński hat ihn als ihren Angehörigen behandelt, ihm die Verpflegung gesichert und die deutschen Zeitungen u.a. „Deutsche Allgemeine Zeitung” für ihn gekauft.

Es ist einmal vorgekommen, dass die Kinder das Licht in ihrem Zimmer aufmachten, ohne früher die Vorhänge am Fenster zuzuziehen. Es war sehr gefährlich, da das Fenster auf die Odolańska-Straße ging, in der sich die Dienststelle der blauen Polizei befand. Bevor die Kinder die Lage peilten, hat ein Polizist an die Wohnungstür geklopft. Der Mann stürzte in die Wohnung und hat ein Zimmer nach dem anderen durchgesucht. Maria mit Ania auf dem Arm hat dem Polizisten ruhig geklärt, dass die Kinder das Licht aus Versehen aufgemacht haben. Wacław hat das Durcheinander und die Schreie gehört und sich schnell hinter die Tür des Kinderzimmers versteckt. Er hat sich an die Wand nah gedrückt. Dadurch wurde er vom Polizisten nicht bemerkt.

Eines Tages sind die deutschen Soldaten zu Maria gekommen und haben ihr das Foto der Nachbartochter gezeigt. Sie fragten, ob sie dieses Mädchen kennt. Es war Angehörige der Heimatarmee und wurde von der Gestapo gesucht. Nach dem weiteren Besuch der Gestapo, die im November 1942 stattfand, beschloss die Familie Sołczyński, einen anderen Unterschlupf für Jakub (so war der wirkliche Vorname von Wacław) zu finden, da ihre Wohnung nicht mehr sicher war.

Während des Warschauer Aufstandes hat Ryszard in der Militärtruppe „Kryśka” gekämpft. Am 14. September wurde er in einem Bombenangriff verschüttet und hat zahlreiche Verletzungen erlitten. Nach dem Krieg, als der Mann zu sich kam, begab er sich nach Lublin, nach einer Arbeit zu suchen. Er hat nicht vermutet, dass sein Weg sich wieder mit dem Weg von Wacław Ciszewski durchkreuzt. Die Männer haben sich zufällig auf der Straße getroffen. Wacław hat ihn sofort erkannt und hat sich sehr über dieses Treffen gefreut. Die Tochter von Ryszard, Anna, kann sich nach den Jahren wie folgt daran erinnern: „[…] [Ciszewski – Erläuterung der Red.] war damals Vertreter des Ministers Minc in der neu entstehenden Regierung. Herr Wacław Ciszewski schlug dem Vater als Zeichen der Dankbarkeit für die Gewährung des Verstecks […] die Funktion des hochrangigen Beamten in der Regierung vor. Der Vater nahm den Vorschlag nicht an und sagte, dass er das Leben der ganzen Familie nicht für den Gewinn riskiert hat und er weiter bei der Eisenbahn arbeiten will ”1.

Das nächste Mal hat sich Wacław mit der Familie Sołczyński kurz vor seinem Tode in Verbindung gesetzt. Er war damals im Krankenhaus in Warszawa. Er war an der Wirbeltuberkulose krank. Die Familie Sołczyńskich hat an seiner Beerdigungsfeier teilgenommen.

Erst einige Jahre nach dem Krieg hat die Familie Sołczyński den Kindern gesagt, dass Wacław Ciszewski wirklich Jakub Firstemberg hieß und der jüdischen Herkunft war. Er hat als Ingenieur in der Dampflokomotivenfabrik gearbeitet. Der Mann wurde von der Gestapo verhaftet und in das Warschauer Ghetto eingeliefert. Er wurde von den Angehörigen des Polnischen Untergrundsstaates heraus geschmuggelt und an die Familie Sołczyński weiter geleitet. Anna Sołczyńska schrieb 2013 in einem Brief: „Wir sind stolz auf unsere Eltern und sind ihnen für ihren Mut und ihre Nächstenliebe dankbar”2.

Literaturverzeichnis:

  1. FLV, Brief von Anna Zofia Sołczyńska [Tochter], Warszawa, 26.09.2013.
  2. FLV, Erklärung von Maria Barbara Dobielecka, Warszawa, 24.09. 2013.
  3. FLV, Erklärung von Ryszard Wojciech Sołczyński, Warszawa, 25.09. 2013.