Im Dorf Opacionka (jetzt die Gemeinde Brzostek) lebten Maria und Kajetan Jałowiec und ihr 8-jähriger Enkel Tadeusz. Kajetan hat bei seinem Nachbar Hersch Reiss gearbeitet. Der Kriegsausbruch hat das Leben beider Familien geändert. Maria ist im Haushalt mit dem Enkel1 geblieben und die Familie Reiss wurde von der Gestapo festgenommen und an einen unbekannten Ort ausgeführt.

Maria hat sich sehr gewundert, als die Tochter von Hersch, Rivka eines Tages 1942 bei ihr erschien. Das Mädchen wurde von einer anderen Jüdin begleitet. Rivka bat um die Hilfe. Sie klärte, dass sie aus dem fahrenden Wagen herausgesprungen ist, als dieser in der Kurve langsamer fuhr. Sonstige Familienmitglieder sind im Waggon geblieben. Dann war das Mädchen zwei Winterjahre lang gemeinsam mit anderen Juden im Wald untergetaucht. Als sie eines Tages auf dem Eis in Rutschen geraten ist und sich das Bein gebrochen hat, beschloss sie, mit ihrer Freundin Genka zu ihrem Familiendorf zu gehen.

Maria entschied sich, den Mädchen zu helfen und hat sie im Dachboden der Scheune versteckt, wovon sie sogar ihrem Enkel nicht sagte. Sie ließ ihn täglich das Essen im Eimer in die Scheune bringen und ihn auf den Boden stellen. Der Junge durfte nicht nach oben d.h. zum Dach hinaufschauen. Als er Maria gewundert erzählte, dass er die Stimmen im Dachboden hörte, sagte sie, dass diese Geräusche sicherlich von den Katzen kamen.

Eines Tages hat die Neugier die Oberhand über den Jungen gewonnen und der kleine Junge schaute nach oben. Er hat dann die aus dem Stroh herausschauenden Füße gesehen. Tadeusz hat damals die Wahrheit entdeckt, jedoch er hat sie geheim gehalten.

Es ist einmal vorgekommen, dass die deutsche Gendarmerie an dem Haus von Jałowiec vorbei ging. Die Soldaten haben sich dem Haus genähert und sagten, dass sie dort bleiben, solange sie in der Gegend sind. Die Familie musste in dieser Zeit unter dem Dach wohnen. Die Offiziere haben das Haus besetzt und die Soldaten waren in den Zelten untergebracht. Maria musste auch für ihre Verpflegung sorgen. Es hat zwei Wochen lang gedauert. Diese Situation war äußerst gefährlich, da die Scheune, in der die Jüdinnen untergetaucht waren, sich 5 m vom Haus befand. Es war Rivka und Genia absolut verboten, den Dachboden zu verlassen. Maria hat ihnen das Essen persönlich gebracht, und nur, als sie sicher war, dass sie von niemandem gesehen wird.

Maria hat die Jüdinnen ungefähr zwei Jahre lang verborgen. Tagsüber haben die Frauen die Scheune nicht verlassen. Wenn es sicher war, hat Frau Jałowiec ihnen ein Zeichen gegeben d.h. sie hat an die Sparren der Scheune gepocht.

Ende 1944 gelangte die Rote Armee nach Opacionka und somit verlief hier die Hauptfrontlinie. Die Deutschen beschlossen, den ganzen Dorf zu evakuieren. Maria wusste, dass sie Rivka und Genka dort nicht alleine lassen konnte. Die Frau kannte gut Deutsch. Sie bat eines der Offiziere, sie in ihrem Haus etwas länger bleiben und sich um ihre Tiere kümmern zu lassen. Sie hat diese Zeit genutzt, um ein neues Versteck für die Jüdinnen zu finden. Sie begab sich zum Priester in Lubcz. Sie wusste, dass der Geistliche den Unterschlupf 14 Juden gewährte. Der Priester hat Rivka und Genia aufgenommen, da – wie er sagte – er sowohl für das Verstecken von 16 als auch von 14 Juden erschossen werden konnte.

Um die Wende 1944/1945 wurde das Gebiet, in dem der Dorf Opacionka lag, von der Roten Armee befreit. Rivka begab sich nach Jedlicze, wo sie seinen Bruder Josef und seine 14-jährige Tochter Malka wieder gefunden hat. Die Frau wollte sich für die Rettung ihres Lebens erkenntlich zeigen. Da sie die Entscheidung über die Ausreise ins Ausland traf, hat sie gemeinsam mit ihrem Bruder Josef und ihrer Schwester Renia als Erben von Hersch Reiss ihr Familienhaus an Maria übergeben.

Nach dem Krieg lebte Rivka mit ihrem Ehemann Jakob Wallach in Australien. Dort kamen ihre Kinder Sabina und Irving zur Welt. Wie Irving sagte: „wäre dieses neue Leben ohne Mut und Rechtschaffenheit von Maria Jałowiec und ihrem 8-jährigen Enkel Tadeusz, die die Tochter der Nachbarn gerettet haben, nicht möglich. Meine Mutter Rivka hat überlebt, um ein neues Leben mit ihrem Ehemann Jakob zu beginnen und zwei eigene Kinder zur Welt zu bringen. Wir können somit die in Talmud erfassten Worte völlig verstehen. Es steht dort geschrieben: » Wer immer ein Menschenleben rettet, hat damit gleichsam eine ganze Welt gerettet«”2.

Literaturverzeichnis:

  1. FLV, Brief von Janina Przewoźnik [70 rocznica zagłady brzosteckich Żydów, „Wiadomości Brzosteckie” 2012, Nr. 7], Nawsie Brzosteckie, 12.08.2013.
  2. FLV, Audio-Aufnahme, Zeichen Jałowiec Maria, Jantoń Jan, Bericht von Maria Ziarska
    vom 02.09.2013.