Józef Kania lebte mit seiner Ehefrau Ludmiła und seinem Sohn Andrzej (geboren 1939) in Warszawa. Vor dem Krieg hat er als Maschineneinsteller in der Waffenfabrik in Fort Wola gearbeitet.

1939 wurde Józef zum Inhaber des Hauses im Ort Blizne Jasińskiego im Randbereich von Warszawa. Der Umzug in das neue Haus wurde durch den Kriegsausbruch verhindert. Ende 1942 kam ein Kollege aus der Waffenfabrik, Herr Golb, zu Józef. Der Mann bat ihn, seiner Familie das Haus in Blizne zur Verfügung zu stellen. Er klärte, dass er nach einem ruhigen Ort sucht, da Żoliborz, wo er bisher lebte, zu einem sehr gefährlichen Stadtviertel wurde. Der Mann hat an anderen Orten nach dem Unterschlumpf gesucht, jedoch überall wurde ihm abgesagt. Die aus drei Personen bestehende Familie Golb, begleitet von dem 5-jährigen Mädchen Marta, ist in das Haus eingezogen. Das Mädchen wurde Józef als die Tochter der gestorbenen Schwester von Frau Golb vorgestellt.

Mit der Zeit schöpfte Józef recht den Verdacht, dass Marta eine Jüdin ist. Die Familie Golb hat sich um das Mädchen gekümmert, als die Gestapo seine Eltern nach Oświęcim ausgeführt hat.

Im Mehrfamilienhaus in Żoliborz haben sich alle gekannt und die Familie Golb hat befürchtet, dass Marta als Jüdin erkannt werden kann. Wie sich Barbara Kowalska, die Tochter von Kania erinnert: „Als mein Vater von der Herkunft Martas erfuhr, hat er Schock erlebt. Am schlimmsten war es, dass die Golbs ihm die Wahrheit nicht gesagt haben. Wie er sagte, hatte er Angst, die Entscheidung zu treffen. Sowohl eine, als auch die andere Familie war in großer Gefahr. Auf einer Seite stand die Familie: die Ehefrau, der Sohn Andrzej und ich, meine Mutter war damals mit mir schwanger. Auf der anderen Seite waren sie. Er hatte nicht viel Zeit, um sich zu entscheiden. Die Entscheidung lautete: ihr bleibt”.

Als in Warszawa immer gefährlicher wurde, zog Józef mit seiner Familie auch nach Blizne um. Das gemeinsame Wohnen war mit einem noch größeren Risiko verbunden. „Ich kann mir nicht vorstellen, was meine Eltern erleben mussten. Sie haben gemeinsam gewohnt. Inzwischen wurde ich geboren. Mehrmals ist die Gestapo zu meinem Vater nach Blizne [sic!] gekommen und nach dem Pfadfinderaktivisten, dem Bruder von Herrn Golb, gesucht. Alle wurden nach außen geführt, das Haus wurde durchgesucht, und zwischen uns stand eine Jüdin. Es ist uns immer gelungen, die Gefahr zu überstehen”.

Im Jahre 1944, als der Warschauer Aufstand ausbrach, sind einige Angehörige der Familie Kania nach Blizne geflohen. Als die deutschen Truppen sich Warszawa näherten, um die Hauptstadt zu liquidieren, haben die Soldaten die schöneren Häuser bei Warszawa besetzt. Das Schicksal hat es der Familie Kania, die in einem Haus bei Warszawa lebte, nicht erspart: die Hälfte des Gebäudes wurde durch die deutschen Truppen besetzt, die meisten Hausbewohner wurden einfach herausgeschmissen. Barbara kann sich wie folgt daran erinnern: „Täglich fuhren sie Warszawa liquidieren, sie haben die Häuser mit den Flammenwerfern in Brand gesetzt, die Leute ermordet und dann sind sie zurückgekehrt. Die verbrannten Papierreste kamen nach Blizne [sic!] angeflogen und der Feuerschein am Himmel über Warszawa hat die Nacht zum Tag gemacht. Man kann es kaum beschreiben, was meine Eltern und Marta erlebt haben. […] Ich bewundere meine Eltern, sie sind für mich echte Helden. Ich hätte es wahrscheinlich nicht getan, wofür sie sich entschieden haben”. Nach dem Kriegsende hat die Familie Golb mit Marta Blizne, wo sie drei Jahre verbracht hat, verlassen.

1989 wurde die Familie von Józef und Ludmiła unerwartet von Marta, heute Miriam Kleiman, besucht. Barbara erinnert sich an das Treffen wie folgt: „Sie hat das Haus gefunden, obwohl sie die Adresse nicht kannte. Ich wusste nicht, wer sie ist, ich dachte, dass sie sich geirrt hat. Der Vater hat mir viel vom Krieg und Aufstand erzählt, jedoch von ihr hat er nie gesprochen. Sie hat mich mit folgenden Worten begrüßt: »Ihr Vater, Józef Kania, hat mir das Leben gerettet, ohne seine Hilfe hätte ich nicht mehr gelebt «. Sie hat von ihren Erlebnissen und von der Angst, die sehr groß war [sic!], erzählt. Sie ist im Alter von 18 Jahren nach Israel ausgereist und ist dort immer noch ansässig. Sie hat einen amerikanischen Juden geheiratet, hat zwei Kinder, und ist – wie sie sagte – sehr reich. Seit dieser Zeit habe ich sie nimmer mehr gesehen. Der Vater hat erst dann von Marta erzählt. Er kann sich auch an die Angst und das Entsetzen erinnern”.

Literaturverzeichnis:

  1. 1. FLV, Brief von Barbara Kowalska (geborene Kania), Warszawa, 05.09.2013.