Nach dem Einmarsch der deutschen Militärtruppen in Lwiw gab es ca. 160 Tsd. Juden in der Stadt. Viele Personen der jüdischen Herkunft sind hierher aus dem Generalgouvernement gekommen. Am 1. September 1939 war deren Zahl ca. um 1/3 geringer. Als die Deutschen 1944 Lwiw verlassen haben, gab es dort nur noch ca. 700 Juden. Die meisten von ihnen haben durch die Hilfe von Polen überlebt. Manche von ihnen wurden in den deutschen Unternehmen beschäftigt1.

Eine der Polinnen, die der jüdischen Bevölkerung in Lwiw halfen, war Jadwiga Zofia, die Ehefrau des Majors Dr. Kazimierz Szostakiewicz, und ihre Tochter Janina. Jadwiga hat im Sommer Zofia Marciniszyn in ihre Wohnung aufgenommen. Kurz danach ergab sich, dass Zofia eine Jüdin ist und tatsächlich Kamila Kroch (geborene Mildwurm) heißt. Diese Information hat die Verhältnisse zwischen Jadwiga und Zofia nicht geändert. Janina schrieb in ihrer Erklärung, dass „[Jadwiga] sagte, dass sie den Tod eines anderen Mitmenschen nicht auf ihrem Gewissen haben will und wenn etwas mit ihr geschieht, will sie da sein”2. Jadwiga hat nach der Aufnahme des Kontakts mit Władysława Choms, der Angehörigen von Żegota noch eine weitere jüdische Familie zu sich aufgenommen. Es war die ca. 38-jährige Maria Lustig aus Brodów, die sich als Maria Gawlicka mit dem 12-jährigen Sohn, verkleidet in ein Mädchen, Inka Gawlicka, versteckt hat.

Im Sommer 1943 hat Kamila Kroch erfahren, dass jemand ihre 14-jährige Tochter Alicja bei der Gestapo angezeigt hat. Das Mädchen hat sich in einem anderem Stadtteil als Janina Marciniszyn versteckt. Die Frau wollte sich freiwillig in die Hände der Gestapo begeben und somit deren Aufmerksamkeit ablenken und ihr Kind retten. Als Janina Szostakiewicz, die Angehörige der Polnischen Heimatarmee, von den Plänen von Kamila erfuhr, begab sie sich selbst unter die angegebene Adresse. Alicja beschreibt diese ganze Situation in ihrer Erklärung in der Nachkriegszeit wie folgt: „Am Anfang der Besatzung von Nazis habe ich bei Frau Jadwiga /ich kann mich an den Namen nicht mehr erinnern/ in der Kadecka-Straße gewohnt. Eines Tages sind zwei Männer in der Zivilkleidung gekommen und sie wollten meine Taufurkunde sehen und haben meine Kenntnis von Katechismus geprüft, dann sind sie weggegangen, um die Echtheit der Angaben in der Pfarrei zu prüfen. Sie sagten, dass sie wieder kommen. Jedoch früher kam ein junges Mädchen und sagte »Komm mit mir, ich bringe dich dahin, wo es nötig ist«. Auf der Straße fragte ich: »Bringen Sie mich nicht zur Gestapo?« ‒ »Habe keine Angst, deine Mutter hat mich geschickt « lautete die Antwort. Es war eben Janka, die seit dieser Zeit den ständigen Kontakt mit mir hatte und mich nach den weiteren Anzeigen gegen meine Person in einen anderen, zeitweise sicheren Unterschlupf führte”3. Janina war eine Kontaktperson von Jadwiga, und diese hat mit Żegota zusammengearbeitet. Sie hat die arischen Dokumente für die sich versteckenden Juden, die Nahrungsprodukte und andere Sachen an die genannte Adressen geliefert.

Im Mai 1944 hat die Gestapo an die Tür der Wohnung von Jadwiga geklopft. Sie suchte nach einer jüdischen Familie, die sich eine gewisse Zeit bei Szostakiewicz versteckt hat. Jadwiga wurde damals zusammen geschlagen und schwer verletzt, jedoch sie hat den Aufenthaltsort der Frauen nicht verraten und die zwei jüdischen Familien, die sich bei ihr versteckten, den Deutschen nicht hinterbracht.

Die Familie Kroch, Lustig und Szostakiewicz hat die schwere Zeit der deutschen Besatzung überlebt und konnte die Befreiung von Lwiw im Jahre 1944 miterleben. Maria Lustig ist mit ihrem Sohn nach Israel ausgereist. Kamila Kroch und ihre Tochter behielten den Namen „Marciniszyn”, den sie in der Besatzungszeit führten. Sie sind nach Kraków umgezogen und haben den Kontakt mit der Familie Szostakiewicz nach dem Kriegsende aufrechterhalten. Kamila schrieb in einem Brief nach dem Krieg mit Dankbarkeit: „Janeczko, meine Liebe, ich denke sehr oft an Dich, meine Liebe, und ich werde es nie vergessen, wie viel Du für mich getan hast. Du bist mir immer lieb, ich habe immer noch die gleiche Sympathie für Dich wie früher. In meiner Erinnerung bist Du immer das gleiche kleine, schöne Mädchen mit einer Stupsnase und einem großen, opfer- und widmungsbereiten goldenen Herzen. Ich erzähle oft meinen Bekannten von Dir, wie Du anders als die anderen Mädchen in Deinem Alter warst, wie Du von ihnen abgewichen hast. Solange ich lebe, werde ich es nie vergessen, wie gut Du für mich warst”4.

Am 5. August 1992 hat das Institut Yad Vashem Jadwiga Szostakiewicz und ihrer Tochter Janina den Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“ verliehen.

Literaturverzeichnis:

  1. FLV, Brief von Zofia und Maria Szostakiewicz (Brief von Kamila Marciniszyn).
  2. FLV, Brief von Zofia und Maria Szostakiewicz (Erklärung von Janina Kaźmierczak vom 01.08.1990).
  3. FLV, Brief von Zofia und Maria Szostakiewicz (Bericht von Janina Szostakiewicz über Jadwiga Szostakiewicz von 1990).
  4. FLV, Brief von Zofia und Maria Szostakiewicz (Bericht von Janina Szostakiewicz von 1990).
  5. J. Zieliński, Zagłada Żydów lwowskich podczas hitlerowskiej okupacji Lwowa (1941-1944), [Internetseite] http://www.www.lwow.home.pl/semper/zaglada.html, Abruf am 22.06.2017.