Das Ghetto in Prużana in Polesien wurde von den Nationalsozialisten im August 1941 errichtet. Seine Grenzen hat die heutige Kobryńska-, Swaboda-, Lenin-, Kirow-, Ostrowski- und Tormas-Straße abgesteckt. Die Besatzungsbehörden wollten, dass die Stadt Prużany zu einem ausschließlich von den Juden bewohnten Ort wurde. Die Umsiedlungsmaßnahmen haben dazu beigetragen, dass dort insgesamt ca. 18 Tausend jüdische Einwohner lebten. Die Lebensbedingungen im Ghetto wurden mit der Zeit immer schlimmer. Die überfüllten Wohnräume und geringe Nahrungsportionen hatten die größere Krankheitswachstumsrate zur Folge. Nur um die Wende 1941/1942 sind 6 Tausend Juden im Ghetto in Prużana ums Leben gekommen1.

Ende Februar 1942 wurde Olga Goldfajn, die jüdische Ärztin aus dem Ghetto in Prużana, von den Klosterfrauen gerufen. Das Pflegemädchen der Schwestern, Renia Wiewiórkowska, gelangte ins Ghetto unter dem Vorwand des Besuchs bei dem jüdischen Zahnarzt, und sie hat Dr. Goldfajn gefunden2. Sie bat sie, die bettlägerige Schwester Genowefa Czubak aufzusuchen. Die Ärztin hat in der Kantine gearbeitet und die Qualität der Mahlzeiten für die Gestapomänner und Gendarmen überwacht. Dadurch hatte sie einen Passierschein, mit dem sie das Ghetto verlassen konnte. „Ungeduldig wartete ich bis zum Abend, bis die Ärztin kam, damit sie mir half, das Bett zu verlassen. Sie ist endlich gekommen. Sie hat einen netten Eindruck auf mich und auf die übrigen Schwestern gemacht.”3. Die verschriebenen Arzneimittel haben der Schwester Genowefa geholfen und es ging ihr besser. Im März, als die Deutschen die Schwestern in eine Ersatzwohnung verlegt haben, wurde sie wieder krank. Olga Goldfajn hat die Ordensschwester wieder besucht und lange mit ihr gesprochen. Sie wollte sich verabschieden. Sie hatte Angst vor der Liquidation des Ghettos und vor der Ausfuhr ins Lager, die für sie den Tod bedeuten würde. „Sie hat dabei gesagt, dass sie alles überstehen und die besiegten Deutschen sehen will. »Ich warte auch darauf « – habe ich geantwortet. Damals hat sie mich gefragt, ob ich ihr im Notfall den Unterschlupf gewähren könnte.”4.

Die Lage im Ghetto war immer schwieriger. Am dritten November 1942 erhielt die Schwester Genowefa die tragische Nachricht über den Tod von Dr. Goldfajn. Sie und andere Angehörigen der Intelligenz sollten sich durch eine vergiftete Injektion töten. Das Los wollte aber anders und die Injektion war zu schwach. Sie hat sich mit der Schwester Genowefa in Verbindung gesetzt und sich mit ihr am Drahtzaun von Ghetto getroffen: „Ich habe ziemlich lange gewartet. Nach einer gewissen Zeit ist sie gekommen. Sie sah schrecklich aus. Sie hat sich so geändert, dass sie kaum zu erkennen war. Sie war eher einer Toten als einer Lebendigen ähnlich”5.

Die Frauen haben vereinbart, dass Dr. Goldfajn nachts zu den Schwestern kommt. So war es auch. Als die deutschen Behörden nach fünf Wochen nach der abwesenden Dr. Goldfajn zu fragen begannen, musste sie am 10. Dezember 1942 ins Ghetto zurückkehren. In dieser Zeit kam die Tatsache, dass die Jüdin versteckt wurde, ans Licht. Dies gelangte zur Kenntnis der Generalmutter, die die Schwester Genowefa von der Funktion der Oberschwester abgerufen hat

Am 28. Januar 1943 haben die Gestapomänner das Ghetto umgeben und ließen die Dorfvorsteher 4 Tausend Fuhrwagen bereitstellen. Die Juden wurden innerhalb von vier Tagen aus dem Ghetto ausgeführt. Die Schwester hat in ihrer Klosterzelle gewartet, als die Schwester Marianna ging: „Sie setzte sich auf den Stuhl am warmen Ofen und fragte mich, was sie machen soll, wenn Dr. Goldfaj käme. »Die Tür öffnen und sie in meine Zelle bringen « – habe ich geantwortet. »Aber hier darf sie nicht versteckt werden. – erwiderte die andere Schwester – Die Oberschwester wird es nicht gestatten«. »Dann werde ich gezwungen sein, dieses Haus zu verlassen und nach einer anderen Unterkunft zu suchen – habe ich geantwortet«”6. Gegen zwei Uhr in der Nacht ist die jüdische Ärztin vor der Tür erschienen. Sie wurde hereingelassen. Sie ist in Orańczyce aus dem Zugwaggon, der nach Oświęcim fuhr, geflohen. Sie hat sich im Orden versteckt, jedoch sie konnte hier nicht lange bleiben. Die Schwester Genowefa beschloss, dass sie beiden Prużana verlassen. Die Ordensschwestern haben sie auf die Fahrt vorbereitet und ließen Frau Goldfajn das Ordenskleid anzuziehen. Ein gewisser Michalczyk kam die Frauen mit seinem Pferdewagen abholen. Die Schwester hatte nur die Karten vom Arbeitsamt bei sich. Die Karte für Dr. Goldfajn wurde auf den Namen „Schwester Helena Wysocka” ausgestellt.

Die Frauen haben gefährliche Momente erlebt, als sie an den das Ghetto überwachenden Gendarmen vorbei fuhren. „Ich kann es nicht mit Worten beschreiben, wie große meine Angst damals war! Wenn sie die Ausweise gefordert hätten, wären ich, der unschuldige Michalczyk und alle Schwestern ums Leben gekommen”7. Goldfajn und Czubak haben sich bei den Bauern aufgehalten und von geringen Geldbeträgen, die ihnen die Leute gaben, unterhalten. Es gelang ihnen, bis zum Juli 1944 auszuhalten. Nach der Befreiung ist Dr. Olga Goldfajn nach Frankreich ausgereist und die Schwester Genowefa Czubak nach Łódź umgezogen. Ihrer Rückkehr zum Orden wurde nicht zugestimmt.

Für den großen Mut und das heroische Verhalten bei der Rettung von Dr. Olga Goldfajn wurde Genowefa Czubak vom Institut Yad Vashem mit dem Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern” ausgezeichnet.

Literaturverzeichnis:

  1. I. A. Altman, Holokost na teritorii SSSR Moskwa 2009.
  2. G. Czubak, W habicie, Warszawa 1986.
  3. I. Gutman, Polscy Sprawiedliwi wśród Narodów Świata, [w:] Księga Sprawiedliwych wśród Narodów Świata. Ratujący Żydów podczas Holocaustu. Polska, T. I, Red. der. poln. Herausgabe, D. Libionka, R. Kuwałek, A. Kopciowski, Kraków 2009.